Ashley
Nach dem Studium zog Ashley nach New York City um ihre Tanzausbildung fortzusetzen. Das war prima für uns, denn ich hatte mich schon bei MIT eingeschrieben. Während der 4 Jahre, die sie dort war, lebte sie in Brooklyn.
Ashley liebt es, zu tanzen. Als sie 14 Jahre alt war, wusste sie schon, was sie den Rest ihres Lebens machen wollte. Während ihres Aufenthaltes in NYC erwarb sie derartige Fachkenntnisse in Ausdruck und Tanzimprovisation, dass sie hier in Cambridge, MA, wo wir nun gemeinsam leben, mit offenen Armen aufgenommen wurde.
Nun, da sie bei mir in Cambridge lebt, ist mein Leben viel einfacher geworden. Seit dem Frühling 2008 haben wir uns mindestens einmal im Monat (meistens aber öfter) gegenseiting besucht. Ich promoviere, also konnte ich häufiger zu ihr fahren als sie zu mir, aber das war ok, denn es war toll in New York zu sein und die Stadt miteinander zu erkunden.
In Ashleys zweiter Wohnung in Brooklyn lebte eine Waschbärenfamilie auf dem Dach. Natürlich entschloss sie sich, den beiden einen Namen zu geben. Sie nannte die Mutter “Bandit” und den Vater “Zorro”. Sie kletterten die Feuerleiter genau vor ihrem Fenster hinauf und hinunter, und es war jedes Mal ein Erlebnis. Es war als hätten wir Gäste. Sie schauten zu uns herein, was wir machten, und wir schauten zu ihnen zurück. Nach einer Weile wurde es ihnen langweilig und sie verschwanden. Mit der Zeit sahen wir sie immer weniger—ich nehme an, sie fanden heraus wie langweilig es ist, Leute durch ein Fenster zu beobachten, wenn diese nur zurückstarren.
Hier in Cambridge haben wir jetzt ein Eichhörnchen in der selben Art und Weise. Dieses kleine Tierchen hat Ashley “Rabbit” getauft. Wir starren uns nicht oft an—wir haben unsere Rolle gefunden. Rabbit ist ein Drahtseilkünstler—er läuft die Stromleitungen vor unserem Fenster entlang und wir sind sein Publikum.
Nachdem ich Ashley jetzt 8 Jahre kenne, weiß ich, dass sie eine starke, liebevolle, intelligente Frau ist, allen Schwierigkeiten des Lebens gewachsen, und dass sie einem erschöpften Studenten, der am Ende seiner Weisheit ist, Halt und Kraft geben kann.
Ich beschloss, sie zu fragen, ob sie mich heiratet (Geschichte weiter unten) und bin glücklich.
Andrew
Ich lernte Andrew in der Tanzfakultät der University of California, Irvine kennen. Er war der flotte Typ im schwarzen Trainingsoutfit. Ich weiß, die meisten von euch MIT-ern haben den größten Teil des letzten Jahrzehntes gedacht es sei ein Scherz, aber es ist wahr. Andrew studierte Tanz und benötigte eines Tages Tänzer für seine Choreographieklasse und war somit auch mein Choreograph. Während der Proben mit diesem Mann, der talentierter war als ich, der unheimliche Fähigkeiten besaß, sein Gesicht auf die lustigste Weise zu verziehen, der zwischendurch deutsch statt englisch sprach und der einen schlagfertigen, außergewöhnlichen Sinn für Humor hatte, konnte ich nicht anders als mich mit ihm anzufreunden. Nach acht Jahren sind diese Eigenschaften immer noch da. Obwohl mein tänzerisches Geschick mit der Zeit weiter vorangeschritten ist als bei Andrew, ist er ein echtes Talent und hat nun der Welt noch mehr zu bieten.
In der Zeit als wir uns näher kennenlernten, wechselte Andrew überraschenderweise seinen Studiengang. Er studiert nun Informatik und Computerwissenschaften und hat sich somit seiner wahren Leidenschaft zugewendet - codiert wie ein Verrückter mit fliegenden Fingern.
Andrew fühlte sich wohl in der Welt des Codierens, schloss sein Bachelor Studium ab und wurde sofort von einer renommierten Universität angenommen, wo er sich der irren Welt der verrückten Wissenschaftler anschloss, um am Massachusetts Institute of Technology zu promovieren. Seit dem Herbst 2007 hat er seine ganze Zeit dort verbracht (außer einem Sommer, als er mit mir in NYC war, denn er absolvierte bei Google ein Praktikum) und arbeitete fleißig, um die Götter der MIT Computerwissenschaften zu besänftigen. Zum Glück weiß dieser Mann wie er jeden in seinem Affenkäfig bei gesundem Menschenverstand hält, indem er Bierabende veranstaltet, Pausen einlegt bei der Arbeit, sarkastische Sprüche bringt und ganz einfach toll ist. Während er an verschiedenen Projekten arbeitete, entdeckte er seine Vorliebe für free software und seit neuestem für das Unterrichten.
Seit dem Sommer 2012 leben Andrew und ich miteinander in Cambridge und setzen unseren Lebensweg Seite an Seite fort.
Der Heiratsantrag
Es war ein schwüler Tag im Sommer. Andrew war für den Sommer nach New York gezogen, um ein Praktikum bei Google zu machen. An einem Freitag kam er gegen 23:00 Uhr nach einer langen Busfahrt von Boston an. Es war eine besonders anstrengende Fahrt gewesen, weil sie statt der üblichen 4 geschlagene 6 ½ Stunden gedauert hatte, er einen großen Koffer hatte (schließlich zog er ja um), und er außerdem auf dem letzten verfügbaren und somit schlechtesten Sitz saß. Nachdem er sich zu Ashleys Wohnung in Brooklyn geschleppt hatte, war ihm sehr heiß, und er war außerordentlich müde.
Als er ankam, warf er sein Gepäck in ihr Schlafzimmer, zog seine Hose aus und setzte sich auf einen Imbiß hin. Ashley beschloss, Andrew einen Smoothie zu machen, um ihm zu helfen, sich abzukühlen, während er ins Schlafzimmer ging, um etwas aus seinem Schlamassel von Sachen zu holen. Er kam zurück, als sie mit ihrem Smoothie fertig war. Sie reichte ihm seinen Smoothie, er nahm ihn, stellte ihn auf den Tisch und sagte: "Weißt du, ich wollte dich schon länger etwas fragen."
Nichts ahnend goss Ashley den restlichen Inhalt des Mixers in ein Glass für sich, zufrieden mit der Aussicht, den Sommer mit Andrew zusammen zu verbringen. Sie drehte sich um und sah Andrew vor sich auf einem Knie (immer noch in seiner Unterhose), wie er eine kleine blaue Schachtel mit einem Ring zu ihr hoch hielt.
"Willst du mich heiraten?"
Völlig überrascht legte Ashley ihren Kopf zur Seite und sagte: "Im Ernst?"
"Ja, im Ernst", antwortete er.
Nach einer Weile, die für Andrew ewig dauerte, aber Ashley wie eine Sekunde erschien, sagte sie einfach: "Ja"